Cover
Titel
Dea in limine. Culto, immagine e sincretismi di Ecate nel mondo greco e microasiatico


Autor(en)
Carboni, Romina
Reihe
Tübinger Archäologische Forschungen 17
Erschienen
Rahden/Westfalen 2015: Verlag Marie Leidorf
Anzahl Seiten
266 S.
Preis
€ 59,80
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Constanze Graml, Institut für Klassische Archäologie, Ludwig-Maximilians-Universität München

Bei der rezensierten Monografie handelt es sich um die überarbeitete Fassung der 2011 an der Eberhard Karls Universität Tübingen eingereichten Dissertation von Romina Carboni. Nach einer kurzen Einführung von Simonetta Angiolillo beginnt die Arbeit mit Carbonis Vorbemerkungen zur Definition des Themas und zum Aufbau der Arbeit (S. 15–18). Daran schließt eine Betrachtung der Figur Hekate anhand der ikonografischen und schriftlichen Quellen an (S. 19–58). Carboni beginnt dabei mit dem ältesten Nachweis Hekates im griechischen Kulturkreis, nämlich der Theogonie des Hesiod, und identifiziert sie in diesem Kapitel als liminale Gottheit und Weltenherrscherin. Im Anschluss analysiert Carboni die klassischen und späteren Textquellen zu Hekate und schließt den Abschnitt mit einer Betrachtung der möglichen bildlichen Darstellungsformen Hekates ab.

Der umfangreiche Hauptteil der Arbeit widmet sich den Nachweisen für den Hekatekult (S. 59–206) und beginnt mit der Betrachtung des bekanntesten und größten Heiligtums im karischen Lagina. Nach einem Exkurs zu den historischen und geografischen Gegebenheiten stellt Carboni zunächst die schriftlichen Quellen zum Heiligtum zusammen und schließt daran eine Analyse der architektonischen Überreste mit einem Fokus auf dem Fries des Tempels an. Es folgt eine Auswertung der Quellen hinsichtlich der Kultausübung, der Ikonografie Hekates in Lagina sowie weiterer nachgewiesener Kulte innerhalb des Heiligtums. An die Betrachtung Laginas schließen die Analysen für nachgewiesenen Hekatekult in weiteren Gebieten an, nämlich in Karien und auf den Inseln der Dodekanes, in Lykien, Kilikien, Ionien, Lydien, Phrygien, Mysien, in der Propontis, Bitynien und Pontos, auf Zypern, im Schwarzmeergebiet, in Dakien, Illyrien, Mösien, Thrakien und den benachbarten Inseln, in Thessalien und Makedonien, in Zentralgriechenland, auf der Peloponnes, auf den Kykladen sowie dem östlichen Nordafrika.

Den inhaltlichen Abschluss der Arbeit (S. 207–211) bildet eine auf drei zentrale Fragen in der Erforschung Hekates konzentrierte Zusammenfassung. Thematisiert werden Überlegungen zu Ursprung und Herkunft des Kultes, zur Verbreitung des Kultes und zu den verschiedenen Nachweisen und Varianten des Kultes, die einerseits als Epiklesen, andererseits als Synkretismen aufgefasst werden.
Komplettiert wird die Arbeit durch eine Zusammenfassung in deutscher und englischer Sprache (S. 213–222) sowie verschiedene Indices (S. 223–234), eine Bibliografie (S. 235–257) und einen Abbildungsteil (S. 259–266 mit Tavole I–XLVI. Schede I–XV. Carte I–IV).

Die von der Verfasserin in Aussicht gestellte Synthese aller bisher untersuchten Aspekte Hekates stellt ein enormes Forschungsvorhaben und -desiderat dar. Der Untersuchungszeitraum reicht von der archaischen bis in die römische Zeit, das Untersuchungsgebiet umfasst Kleinasien und Griechenland, Teile des Schwarzmeergebietes und Nordafrikas. Dies bedeutet die Betrachtung sowohl eines enormen zeitlichen Umfangs als auch eines enormen geografischen Spektrums. Durch den alphabetisch geografisch gegliederten Aufbau verschließt sich die Arbeit jedoch den angekündigten übergreifenden diachronen Betrachtungen zum Hekatekult (S. 16: „Per quanto riguarda l´inquadramento cronologico, si è scelto di esaminare la nascita e l´evoluzione delle attestazioni cultuali in un´ottica diacronica […].“). Der Leser muss angesichts der Informationsfülle innerhalb der jeweiligen Region den ältesten Beleg ausfindig machen. In Anbetracht der alphabetischen Ordnung im Textteil könnte dies beispielsweise durch eine nach Epochen gegliederte graphische Darstellung der belegten Kultorte veranschaulicht werden. Die in den Kartenlegenden beigefügten Datierungen sind hierfür wenig hilfreich.

Darüber hinaus wäre eine ausführlichere Erläuterung zum Einsatz der verwendeten antiken Quellen für den Nachweis von tatsächlich praktiziertem Kult methodisch sinnvoll gewesen. Berücksichtigt werden in den einführenden Kapiteln überwiegend regional übergreifende Quellen wie Hesiod. Durch dieses Herangehen wird die Figur Hekate für den Leser bereits zu Beginn der Arbeit auf die hesiodische Wahrnehmung eingeengt. Eine quellenkritische Betrachtung Hesiods bezüglich seiner Aussagekraft zu einem im gesamten griechischen Kulturraum praktizierten Kult hätte diesem Eindruck möglicherweise entgegengewirkt. Im Katalogteil werden allein Quellen mit konkretem geografischen Bezug verwendet (S. 17, Anm. 11). Dabei werden späte literarische Quellen wie Hesychios, Philochorus oder Photius trotz eines zeitlichen Abstandes und einer anderen kulturellen Prägung des jeweiligen Verfassers als unmittelbare Belege angesehen. Quellenkritik wird auch nicht hinsichtlich der Verwendung der Periegese des Pausanias betrieben. Vielmehr nimmt Carboni die von Pausanias gegebenen Informationen als eindeutige Nachweise für praktizierten Kult an, wobei die Forschungsergebnisse von Vincianne Pirenne-Delforge zur Genauigkeit der Überlieferung des Periegeten in Bezug auf Kult außer Acht gelassen werden.1

Neben Textquellen betrachtet Carboni auch die Bildwerke, sowohl einfigurige Darstellungen als auch die auf der Statue des Alkamenes basierenden dreifiguren Darstellungen (S. 31–34), als Belege für Kultaktivität. Einige der nicht eindeutigen Darstellungen sind im Katalog freilich mit einem Fragezeichen versehen und mit der Interpretation anderer Forscher aufgelistet. Dieses Vorgehen erweist sich als schwierig, wie das Beispiel Knidos (S. 91) verdeutlicht. Carboni spricht sich zwar gegen die Interpretation einer einfigurigen Statue als Hekate und somit gegen einen nachgewiesenen Hekatekult aus, führt Knidos aber in den angehängten Tabellen (Scheda I) und Karten (Carta I, Nr. 58) weiterhin auf. Ähnliches gilt für dreifigurige Darstellungen, die nachweislich als Beckenfüße dienten (S. 99 [Kameiros]; S. 100 [Lindos]; S. 189 [Messene]). Carboni schließt sich der Interpretation Erika Simons an, die in diesen Beckenfüßen Vorläufer der dreifiguren Hekatedarstellungen erkennt (S. 21, Anm. 16). In diesem Fall wäre zu hinterfragen, ob ein Beckenfuß tatsächlich ein Beleg für einen eigenständigen Kult sein kann.

Diese Beobachtung führt zu einem weiteren Kritikpunkt. Die Arbeit stellt eine Analyse des Kultes für Hekate in Aussicht. In Anbetracht des untersuchten Zeitraumes, das heißt von der Archaik bis in die römische Zeit, wäre ein Kapitel wünschenswert gewesen, das sich anhand der Ergebnisse jüngerer Forschungen mit den Eigenheiten der griechischen Religion und auch der römischen Religion sowie mit dem Begriff „Kult“ auseinandergesetzt hätte.2 Innerhalb der jeweiligen Untersuchungsgebiete erfolgt zwar eine Auflistung der einzelnen Belege für Hekate mit Angaben zu deren Zeitstellung, aber eine kritische Diskussion und Differenzierung dieser Belege im Hinblick auf kleinasiatisch geprägte Kulte, griechisch geprägte Kulte oder aber römisch geprägte Kulte fehlt. Dadurch entsteht ein zu einheitliches Bild des Hekatekultes, das in bereits vorhandenen Arbeiten weitaus kleinteiliger analysiert worden ist.3 Ebenso werden Regionalismen zwar festgestellt (Bsp. S. 159: Bezug zur Göttin En(n)odia/Pheraia), aber nicht eigenständig analysiert.

Anhand des Verhältnisses von Katalogteil zu den analytischen Teilen des Buches wird ersichtlich, dass die Arbeit viel zu umfangreich angelegt ist, um die Einzelbetrachtungen gut zu vernetzen und daraus tiefergehende Ergebnisse zu erzielen. So stellt die zunehmende Verbreitung des Hekatekultes ein wenig überraschendes Ergebnis dar, und das mag gleichermaßen für den Popularitätsschub gelten, den der Kult im Hellenismus erfuhr. Auf welchen historischen oder politischen Hintergründen dies möglicherweise beruht oder ob er sich um einen Zufall der Überlieferung handelt, wird von Carboni nicht thematisiert.
Simonetta Angiolillo hat in ihrem Vorwort zur Arbeit Carbonis deren große Leistung im Hauptteil (Kapitel II) konstatiert; sie bezeichnet diesen Teil als „un monumentale catalogo di tutte le attestazioni letterarie, epigrafiche e archeologiche“ (S. 14). Das Zusammentragen der sehr vereinzelt auftretenden und teilweise disparat publizierten Belege wurde mit großer Akribie durchgeführt und in diesem Umfang nicht mehr seit der Monographie von Theodor Kraus angegangen.4 Die Auswertung des Katalogs („analisi di tipo linguistico-filologico“; S. 14) erweist sich im Hinblick auf tatsächlich belegten Kult als unkritisch und historisch wenig ausdifferenziert. Insofern bietet die Arbeit eine hervorragende Grundlage für weitere Untersuchungen zu Hekate.

Anmerkungen:
1 Vincianne Pirenne-Delforge, Retour à la source. Pausanias et la religion grecque. Kernos Suppl. 20, Liège 2008.
2 Beispielsweise Christiane Sourvinou-Inwood, What is Polis Religion?, in: Richard Buxton (Hrsg.), Oxford Readings in Greek Religion, Oxford 2000, S. 13–37; Christiane Sourvinou-Inwood, Further Aspects of Polis Religion, in: Richard Buxton (Hrsg.), Oxford Readings in Greek Religion, Oxford 2000, S. 38–55; Robert Parker, On Greek Religion, Ithaca 2011; Julia Kindt, Rethinking Greek Religion, Cambridge 2012; Jörg Rüpke, Die Religion der Römer. Eine Einführung, München 2001.
3 Theodor Kraus, Hekate. Studien zu Wesen und Bild der Göttin in Kleinasien und Griechenland, Heidelberger kunstgeschichtliche Abhandlungen N. F. 5, Heidelberg 1960; Sarah Iles Johnston, Hekate Soteira: a Study of Hekate´s Roles in the Chaldean Oracles and Related Literature, American Classical Studies 21, Atlanta 1990.
4 Vgl. Anm. 3.

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